Die Worte „Behinderte“ oder “behindert“ werden im Verständnis oft begleitet von einer negativen Konnotation. Das Ohr der Empfängerin, des Empfängers hört etwas, bei dem ein negativer Unterton mitschwingt. Die erstmal neutralen Worte „Behinderte“ oder “behindert“ lösen bei der Empfängerin, dem Empfänger eine negative Emotion aus und können als verletzend empfunden werden. Diese Reaktion mag geschichtliche und soziale Ursachen haben. Gleichwohl werden im umgangssprachlichen Gebrauch oder in der Jugendsprache diese Worte – obwohl vielleicht nicht bewusst so gemeint -, für eine nicht neutrale, teilweise leicht negative Äußerung eingesetzt: „Das ist doch behindert!“.
Auf der einen Seite haben wir eine Person, die etwas äußert, auf der anderen Seite eine Person, die diese Äußerung verletzt. Die Toleranzgrenze ist bei letzterer erreicht oder sogar schon überschritten. Wie gelingen nun ein gegenseitiger Austausch und eine gute Kommunikation miteinander?
Die unterschiedlichen Bedarfe auf der persönlichen und auf der gemeinschaftlichen Ebene müssen miteinander verhandelt werden. Normen und Werte müssen überprüft werden. Wo werden von den Akteur*innen die Grenzen gezogen? Und was ist eine gute gemeinsame Basis?
Toleranz leitet sich aus dem lateinischen Wort tolerare ab, das für „ertragen“, „erdulden“ steht.
Es „bezeichnet [laut Wikipedia in der Technik] den Zustand eines Systems, in dem eine von einer störenden Einwirkung verursachten Abweichung vom Normalzustand (noch) keine Gegenregulierung oder Gegenmaßnahme notwendig macht oder zur Folge hat. Im engeren Sinn ist Toleranz die Abweichung einer Größe vom Normzustand oder Normmaß, die die Funktion eines Systems gerade noch nicht gefährdet“ [Wikipedia. Toleranz (Technik), zuletzt aufgerufen am 15.11.2022].
In der Medizin beschreibt es die Gewöhnung an einen Wirkstoff. Es wird eine Toleranz diesem Wirkstoff gegenüber entwickelt und diese Toleranz hat Einfluss auf die Wirksamkeit des Wirkstoffes im Zusammenspiel mit dem Körper [Vgl. Wikipedia. Toleranzentwicklung, zuletzt aufgerufen am 15.11.22].
Als „philosophischer und sozialethischer Begriff [bezeichnet Toleranz] ein Gewährenlassen und Geltenlassen anderer oder fremder Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten. Umgangssprachlich meint man damit häufig auch die Anerkennung einer Gleichberechtigung, die aber über den eigentlichen Begriff („Duldung“) hinausgeht. [Wikipedia. Toleranz, zuletzt aufgerufen am 15.11.2022].
Was heißt das jetzt? Toleranz ist ein Begriff, eine Worthülle, die eine Auseinandersetzung beschreibt, in der zwei Dinge miteinander in Bezug gesetzt werden und woraus ein Resultat entsteht. Es beschreibt eine Auseinandersetzung und somit eine Deutung durch subjektive oder auch allgemeingültigere Resultate auf gesellschaftlicher Ebene. Diese Aushandlungen geschehen teilweise ganz automatisch, wenn wir Dinge beurteilen, manchmal auch ganz bewusst, wenn diese Vorgänge aktiv eingeleitet werden. Diese Reaktionen erzeugen gesellschaftliche Normen, die mit den einzelnen Akteuren der Gesellschaft verhandelt werden müssen.
Teil der Arbeit der Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben (KSL) NRW ist es, über die bewusstseinsbildende Arbeit, mit Öffentlichkeitsarbeit oder auch durch strukturelle Beratung diese Normen und Werte mit – weiteren - Inhalten zu füllen, die möglichst alle Personen akzeptieren können und die für alle ein verbindliches Maß darstellen. Hier geht es beispielsweise um die Aushandlung der Begriffe Selbstbestimmung, Teilhabe und Partizipation. Wieviel Selbstbestimmung wird durch Kostenträger gewährt? Wie kann die Teilhabe behinderter Menschen verbessert werden? Letztlich bedeutet dies, sich bewusst zu machen, wo die Grenzen liegen. Was ist tolerabel?
Uns interessiert, was bedeutet für Euch Toleranz? Was ist Euch daran wichtig?
Ein kleiner Input, welche Wörter Toleranz ganz allgemein zugeschrieben werden, haben wir für Euch in Form eines Worträtsels vorbereitet. Findet Ihr alle Begriffe, die hier untergebracht sind? Ihr könnt Euch dieses Rätsel über einen Klick auf die rechte Maustaste, Grafik speichern unter herunterladen, ausdrucken, ausfüllen und es uns als Foto wieder zurückschicken oder es bei Facebook über die Kommentarfunktion posten.
Macht mit – es lohnt sich!
- Wortsuche Toleranz
(erstellt über https://www.suchsel.net/)
Kleiner philosophischer Exkurs
Ohne tiefer in weitere Definitionsansätze und Begriffszuschreibungen einzutauchen wird deutlich, dass Toleranz einen Zustand beschreibt, der sich in Grenzen bzw. Intervallen bewegt und der auf einen anderen Zustand trifft und dort eine Reaktion erzeugt. Dieser neue Zustand ist folglich das Ergebnis zweier Zustände, die sich miteinander auseinandersetzen. Gleichzeitig ist das immer eine sich verändernde, in Grenzen bestehende Reaktionskette, die aus Veränderungen entsteht.
Die Grenzen dieses neuen Zustands werden folglich durch die miteinander reagierenden Zustände selbst gesetzt. In den Intervallgrenzen besteht ein Spielraum für die Auseinandersetzung und die Verhandlung des sich verändernden Zustands. Toleranz braucht für ihre Existenz einen Reibungsgegenstand. Bewegt sich Toleranz über die Intervallgrenzen dieses Spielraums hinaus, besteht Gefahr, wenn sie sich nicht weiter reiben, sich nicht weiter entwickeln kann, keine Grenzen mehr bestehen, dass Toleranz sich selbst abschafft.
Somit ist die ständige Bereitschaft, sich auseinanderzusetzen, wichtig, um sich weiterzuentwickeln. Gewissermaßen wirkt sich das Aufeinandertreffen, das Sich-aneinander-reiben, wie ein Filter auf den Spielraum habenden Zustand aus. Es ist ein gefilterter, reflektierter neuer Zustand entstanden.